„Ich gehe in die dritte Klasse der Schule in Doba und gehöre zu den Besten meiner Klasse. Wir sind 55 Kinder und lernen Französisch, Mathematik und Geografie. Mein Traum ist es, Wissenschafterin zu werden“, erzählt die 9-jährige Djembete Djiguemro. Kinder haben viele Träume. Sie zu verwirklichen ist im Tschad normalerweise sehr schwierig. Für Djembete stehen die Voraussetzungen trotzdem gut, weil sie die Schule in Doba besucht, die P. Sen Vellakada, Missionar des Ordens des heiligen Franz von Sales, eröffnet hat.
„40 Prozent der Bevölkerung können nicht lesen und schreiben“, berichtet der Ordensmann. Auch Djembetes Eltern sind Analphabeten und Kleinbauern, die kaum genug zu essen für ihre große Familie aufbringen. Deshalb ist die Ausbildung der Kinder nach dem reinen Überleben oft zweitrangig. Gleichzeitig ist sie die einzige Chance, dem Armutsteufelskreis auf Dauer zu entkommen.
Das Aufwachsen im Tschad ist hart. „Eine große Fläche ist Wüstenlandschaft. Im Sommer kann die Temperatur bis auf 55 Grad steigen. Und die Infrastruktur ist nicht mit Österreich zu vergleichen.“ Zu jeder Tages- und Nachtzeit Strom oder ein ausgebautes Straßennetz gebe es nicht. „Der Alltag“, sagt P. Sen, sei auch für ihn herausfordernd und noch mehr für die Familien im Land. „Sie wohnen in einfachen Hütten und essen oft nur eine Mahlzeit am Tag.“ Im Norden erwirtschaften die Menschen ihr karges Einkommen vor allem als Hirten. Im Süden – hier sind die drei großen Missionen des Ordens beheimatet – leben die Leute von der Landwirtschaft. Sie bauen Getreide, Papayas, Zitronen und Mangos an. „In den Sommermonaten verbringen die Kinder die Tage fast nur unter den Mangobäumen. Zum einen, weil sie ihnen Schatten spenden und zum anderen, weil sie sich in der Mangosaison fast ausschließlich von den Früchten ernähren.“
Ein Mangobaum kann im Tschad schon mal das Klassenzimmer ersetzen. Unterricht im Freien ist keine Seltenheit. Gibt es Schulen, sind sie in einfachen, strohgedeckten Lehmhütten un-tergebracht. P. Sen Vellakada setzt sich für den Bau von Schulhäusern aus Ziegeln und Beton ein.
Der Romero-Preis ist für unsere Mission eine große Anerkennung.
In Doba hat der 48-Jährige 2017 eine Schule gegründet, in der heute mehr als 700 Kinder zwischen sechs und siebzehn Jahren lernen. „Es fehlen noch zwei Jahrgänge, dann könnten die Schülerinnen und Schüler die Ausbildung mit der Matura abschließen. Das ist unser nächs-tes Ziel. Was fehlt, ist das Gebäude.“ Die Umsetzung sei teuer, da Zement oder Eisen importiert werden müsse. „Das einzig billige im Land ist die Arbeitskraft.“
Froh ist der Missionar deshalb über die jahrelange gute Zusammenarbeit mit Sei So Frei. Dafür sei er sehr dankbar, genauso wie für den jetzt verliehenen Romero-Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist. „Es ist nicht nur für mich eine Anerkennung, sondern für die ganze Mission und für die Menschen in diesem ärmsten Teil der Welt“, sagt Pater Sen, der sich als Vermittler und Brücke zwischen den Kulturen sieht.
Mit dem Namensgeber des Preises, dem salvadorianischen Märtyrerbischof Oscar Romero (1917–1980), fühlt er sich eng verbunden. „Während meines Noviziats habe ich einen Film über Bischof Romero gesehen und später viel über ihn gelesen.“ Als er erfahren habe, er bekomme den Romero-Preis, habe ihn die Frage umgetrieben: „Bin ich würdig für eine Auszeichnung, die nach ihm benannt ist? Aber natürlich sei es eine große Ehre und ein Ansporn weiterzumachen.“
Stillstand gehört nicht zum Leben von P. Sen. Er nennt sich selbst einen Weltenbürger und ein Blick auf seinen Werdegang bestätigt, das ist nicht übertrieben. Geboren ist er im indischen Bundesstaat Kerala. In seiner Jugend habe er nicht davon geträumt, Priester zu werden. „Ich sah mich als Journalist. Doch das war nicht, was Gott von mir wollte.“ Gott rufe und er sage ja. So sei er in den Orden eingetreten, habe Philosophie und Theologie studiert. Sein Doktoratsstudium hat er in Wien absolviert: „2009 hat unser Provinzial das Angebot bekommen, Studenten nach Klosterneuburg zu schicken.“ Als einzige Bedingung habe er in der Pastoral des Stiftes Klosterneuburg mithelfen sollen. Vellakada war unter anderem als Krankenhausseelsorger in Klosterneuburg tätig.
Zwei Länder, drei Jobs – Herausforderung
und Erfüllung zugleich.
Während seiner Österreichzeit entschied er sich für den Missionsdienst. „Ich hatte das Glück, sieben Jahre quasi in Luxus zu leben.“ Danach habe er seinen Provinzial gebeten, nach Afrika gehen zu dürfen. Kamerun und Tschad seien das ärmste Gebiet der Mission. „Ich habe viel Vertrauen gehabt, dass ich hier etwas ausrichten kann. Für fünf Jahre habe ich mich verpflichtet, nun bin ich schon im siebenten Jahr in diesen beiden Ländern.“
Neben seiner Tätigkeit als Koordinator der Schule in Doba im Tschad und einer weiteren in Ngaoundéré in Nordkamerun ist er Ökonom seiner Gemeinschaft sowie Regens in Kamerun. „Wir haben 40 Priester im Seminar.“ Das habe verschiedenste Gründe. In Europa sei die Säkularisierung weiter fortgeschritten. Und am Beispiel Indiens sei zu sehen, dass der Nachwuchs irgendwann zurückgehe. In Kamerun sind 70 Prozent der Bevölkerung christlich und im Tschad 40 Prozent, die Mehrheit im Land sind Muslime. Die vor allem aus dem Nachbarland Nigeria bekannte islamistische terroristische Gruppierung Boko Haram ist auch im Tschad und in Nordkamerun aktiv. „In unseren Missionen sind wir zum Glück nicht direkt betroffen.“
Wohin sein Weg ihn als nächstes führt? „Das weiß ich nicht. Ich bin für alles offen, auch für Neues.“ Daheim fühle er sich in all „seinen“ Ländern, sei es in Indien, Österreich, Kamerun, Tschad oder in Südtirol, wo er seit langem immer wieder als Vertretungspriester wirkt. „Die Kirche ist meine Familie. Also bin ich überall zu Hause.“ Vorbild sei ihm die Menschenfreundlichkeit und Menschengüte für die sein Ordenspatron stehe. „Mit dieser Einstellung kann man Brücken bauen und Schwierigkeiten leichter meistern“, ist Pater Sen Vellakada überzeugt.
Adventsammlung von Sei So Frei
Schulen für Afrika ist das Motto der Adventsammlung – im Bild l. präsentieren Sei So Frei-Referent Wolfgang Heindl und P. Sen das zugehörige Plakat. Sei So Frei, die entwicklungspolitische Organisation der Katholischen Män-
nerbewegung, unterstützt verschiedenste Schulen in Afrika. Ein Bildungsprojekt ist jenes von Pater Peter Laschan, dem Salzburger Missionar in der DR Kongo.
Unterstützen Sie „Schulen für Afrika“: www.seisofrei.at
Ein kurzes Video-Interview mit Romero-Preisträger Pater Sen Vellakada und Wolfgang Heindl, Sei So Frei Salzburg und Tirol, sehen Sie hier:
Aus dem Hirtenwort
Erzbischof Franz Lackner lädt ein, die Adventsammlung „Schulen für Afrika“ zu unterstützen. „Kindliche Neugierde, so lässt sich leicht beobachten, hat ein schier unendliches Potenzial. Daher braucht es oft nicht viel, um die Welt eines Schulkinds zum Positiven zu verändern.“
Liebe Schwestern und Brüder!
… Ein Beispiel für Taten der Nächstenliebe ist der Einsatz des Herz-Jesu-Missionars Pater Peter Laschan, der aus unserer Erzdiözese stammt. Seit vielen Jahren ist er in unserer Partnerdiözese Bokungu-Ikela im Kongo tätig. Dort kümmert er sich in der Pfarre Mondombe um Schulen, die mitten im Regenwald liegen ...
Seine Arbeit sowie weitere konkrete Projekte zum Bau und der Einrichtung von Schulen auf dem afrikanischen Kontinent möchte Sei So Frei heuer mit ihrer Adventsammlung unterstützen. In großer Dankbarkeit für die Bereitschaft, bei allen Schwierigkeiten vor denen viele Menschen auch in unserem Land stehen, auf die Ärmsten der Welt nicht zu vergessen, wünsche ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, einen gesegneten Advent. Nutzen wir diese Tage der Vorbereitung auf das Kommen des „Gott mit uns“ auch für das inständige Gebet um das so zerbrechliche Gut des Friedens für die Welt und in den Herzen der Menschen!
... Glaube und Bildung gehören zusammen. Die Berührung mit Gott öffnet den Blick in unsere Welt und die verschiedentlich herrschende Bildungsnot. Dieser etwas entgegenzusetzen, ist die Kirche berufen. Wo immer man Kindern jene Bildung zukommen lässt, die ihnen zusteht, wirkt es sich positiv auf die ganze Gesellschaft aus. Der große Philosoph Ludwig Wittgenstein stellt klar: „Wenn man etwas zur Erneuerung einer Gesellschaft beitragen möchte, dann muss man bei den Kindern anfangen.“ Und er zog auch eine Konsequenz: Der in Cambridge gepriesene Philosoph wurde für eine gewisse Zeit Volksschullehrer.
Damit möglichst vielen Mädchen und Buben in Afrika der Zugang zu schulischer Bildung ermöglicht und erleichtert werden kann, bitte ich Sie, die Adventsammlung mit einer Spende nach Ihren Möglichkeiten zu unterstützen.
Es grüßt und segnet Sie
Erzbischof Franz Lackner
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