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Wien. Am 7. Dezember wird in jüdischen Familien die erste Kerze am Chanukka-Leuchter entzündet. Jeden Abend folgt ein weiteres Licht, bis alle Kerzen leuchten. Das Fest erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem und wird von Gebeten begleitet. In diesem Jahr gibt es eine besondere Initiative, denn die Welt schaut nach Gaza, wohin am 7. Oktober 240 Israelis von der Terrorgruppe Hamas entführt wurden; unter ihnen sind Holocaustüberlebende und Babys. Unter dem Aufruf „Bring them home“ – „Bringt sie nach Hause“ – wird um das Gebet für die Geiseln ersucht.
Für die Aktion wirbt der israelische Botschafter in Österreich David Roet, der seit September in Wien ist. Er ist überzeugt, dass der Konflikt zwischen der Hamas und Israel im Kern nicht religiöser Natur ist. Gläubige aller drei monotheistischen Religionen sollten zusammenstehen und gemeinsam differenzieren, „was richtig und was falsch“ sei, ist Roet überzeugt. Religionen können eine positive Rolle im Konflikt spielen. Klar sei aber, dass die Hamas den Islam für ihre Zwecke missbrauche. „Die Hamas repräsentiert nicht den Islam, sie steht nicht dafür, was der Islam ist oder sein sollte. Sie berufen sich auf Gott, um gottlose Taten zu begehen.“
Der Botschafter stellt in Hinblick auf den Krieg klar: „Wir kämpfen nicht gegen das palästinensische Volk, wir kämpfen gegen die Hamas.“ Leider sei die Hamas von der Bevölkerung gewählt worden, hier gehe es in erster Linie um Bildung, man müsse den Menschen in Gaza zeigen, dass es der Hamas nicht um die eigenen Leute gehe, sondern um die Umsetzung ihrer terroristischen Ziele.
Man sei auf einem guten Weg zu einem friedlichen Zusammenleben in der ganzen Region gewesen, der 7. Oktober habe diese Bemühungen zunichtegemacht.
Bei den Verhandlungen um die Freilassung israelischer Geiseln (bei Druckfreigabe waren 69 Menschen befreit) zeigt sich aber ein moralisches Dilemma, so Roet. Wie solle man entscheiden, wen man befreie. Es herrsche Konsens, dass Frauen und Kinder unter den ersten Befreiten sein werden, aber man werde nicht alle auslösen können, so Roet: „Familien werden auseinandergerissen bleiben.“ Daraus entstünde eine Reihe moralischer Fragen. Klar sei, dass das Leben eines paläs-tinensischen Babys genauso viel wert sei wie das Leben eines israelischen Babys, betonte Israels Botschafter. Alle seien als Menschen geboren, egal ob jemand Israeli, Palästinenser oder Österreicher sei. Es gehe darum, zu differenzieren zwischen Hamas-Terroristen und der palästinensischen Bevölkerung.
Schockiert ist der Botschafter, der selbst Nachfahre einer jüdischen Familie aus den Niederlanden ist, dass es in Österreich Menschen gibt, die die Hamas unterstützen. Gleichzeitig ist er sehr dankbar für die Anteilnahme des offiziellen Österreich und im besonderen der katholischen Kirche.
Wie erlebt Botschafter Roet die Situation persönlich? „Ich war seit dem 7. Oktober zweimal in Israel. Einmal mit Bundeskanzler Karl Nehammer und einmal, als meine Enkeltochter geboren wurde. Ich habe ein anderes Land gesehen, trauriger, aufgebracht, gleichzeitig mehr zusammengerückt.“ Und er erinnert in Hinblick auf das Gebet für die Freilassung der Geiseln an seine Großmutter, die den Holocaust überlebt hat. Sie sagte nach dem Tod von Roets Tante, die kurz nach der Befreiung aus dem KZ Auschwitz verstarb: „Wenn meine Tochter den Glauben behalten hat, dann kann ich ihn auch behalten!“
sol/kap
Infos zu „Bringt sie nach Hause“
online unter: www.ikg-wien.at
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