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RB: Wie fällt Ihr Fazit nach der ersten Vollversammlung der Welt-Bischofssynode aus?
Markus Welte: Der Philosoph und Kommunikationswissenschafter Paul Watzlawick hat in den 70er Jahren ein Buch mit dem Titel „Lösungen“ geschrieben. Er unterscheidet zwei Arten von Lösungen. Der erste Typ funktioniert nach dem „Mehr-desselben-Prinzip“. Stellen Sie sich ein Kind vor, das mit vielen Fehlern im Diktat nach Hause kommt. Was können die Eltern tun? Ein gängiger Ansatz der Problemlösung ist, die bisherigen Bemühungen einfach zu steigern. Statt einer halben Stunde wird eine Stunde am Tag geübt. Dieser Weg führt aber oft nicht zum Erfolg. Bei der nächsten Ansage ist das Kind vielleicht so aufgeregt, dass es erst recht Fehler macht.
Watzlawick empfiehlt einen Lösungstyp, den er „Lösungen zweiter Ordnungen“ nennt. Seine Besonderheit besteht darin, dass er die zu lösende Situation aus der Sackgasse hebt, indem er sie in einen neuen, weiteren Rahmen stellt. Genau so habe ich diese Synode erlebt. Das begann schon bei der Arbeitsmethode, die bis vor zwei Jahren nur wenige Experten kannten, den Anhörkreis. Dafür wurde die Sitzordnung grundlegend verändert: Statt in Kinobestuhlung arbeiteten die Synodalen an runden Tischen. Ebenfalls neu war die Zusammensetzung der Teilnehmenden: Zum ersten Mal gab es bei einer Bischofssynode nichtbischöfliche stimmberechtigte Mitglieder. Auch das Thema, das Miteinander in der Kirche, hat dazu beigetragen, neue Perspektiven auf verfahrene Konflikte zu gewinnen. Es eröffnet grundsätzlich neue Verstehensweisen von Ämtern und Diensten in der Kirche.
Es ist ein neuer Weg. Die Synode war keine
Mehr-desselben-Veranstaltung.
Damit möchte ich nicht sagen, dass alles perfekt gelaufen ist. Aber hier wurde ein neuer, unkonventioneller Weg der Lösungssuche ausprobiert. Das gelingt nicht alle Tage. Die Synode war keine „Mehr-desselben-Veranstaltung“. Gerade deshalb hat sie echte Überraschung und Interesse ausgelöst.
RB: Wie ist das Abschlussdokument zu lesen und zu bewerten?
Welte: Hilfreich finde ich die Einleitung, denn hier wird der Aufbau des Dokuments erklärt. Der Text gliedert sich in drei Kapitel. Er beginnt mit einem Grundsatzteil, der die theologischen Basics einer synodalen Kirche beleuchtet.
Im zweiten Teil wird Synodalität verstanden als ein Miteinander von Menschen, aller die an der Sendung der Kirche beteiligt sind: Es geht um Frauen, Männer, Priester, Diakone, Ordensleute, Bischöfe, Papst und um deren Zusammenwirken. Der dritte Teil verlässt die personale Ebene und interpretiert Synodalität als eine Weggemeinschaft verschiedener kirchlicher Ebenen aber auch als Miteinander von Kirche und Welt. Insgesamt können sich Leserinnen und Leser auf einen dichten Text freuen. Die Themenfülle des Dokuments kann allerdings auch abschreckend wirken. Daher ist mir ein Hinweis wichtig, der sich im Schlussteil findet. Er ermutigt, für die Weiterarbeit mit dem Text bewusst Schwerpunkte zu setzen. Niemand wird alle Impulse und Fragen weiterverfolgen können.
RB: Wie geht es bis nächsten Oktober weiter?
Welte: Derzeit warten wir auf letzte Informationen aus dem Synodensekretariat in Rom. Klar ist, dass die Weiterarbeit vor allem auf nationaler Ebene erfolgen soll. In Öster-
reich hat daher ein intensiver Beratungsprozess in der Bischofskonferenz und im nationalen Synodenteam begonnen. Alle Bischofskonferenzen sind aufgerufen, sich auf die aus ihrer Sicht wichtigsten Fragen und Vorschläge im Text zu konzentrieren und sie in Expertengruppen zu beraten. Beim zweiten Teil der Synode im Oktober 2024 soll dann mit diesen Ergebnissen weitergearbeitet werden.
RB: Was ist auf diözesaner Ebene geplant?
Welte: Ich gehe nicht davon aus, dass es auf diözesaner Ebene eine weitere Feedbackschleife zum Synthesebericht der Synode geben wird. Dafür reicht die Zeit nicht aus. Dennoch wird auch die diözesane Ebene in den nächsten Monaten wichtig sein. Der Bericht der Weltsynode muss den Weg an die Basis zurückfinden. Es braucht „Tiefenbohrungen“ gerade in Richtung der Gruppen, die bislang noch nicht erreicht wurden. Aber auch das ist derzeit noch in Ausarbeitung.
Weltsynode
Wie geht es weiter? Überraschende Einmütigkeit – so lautete Ende Oktober die Bilanz der Phase 1 der Weltsynode. Nun gehen die Themen, die auf Weltebene debattiert wurden, wieder auf die nächsttiefere Ebene. Im Oktober 2024 werden dann in Rom Empfehlungen für den Papst beschlossen. Die Basis für alles Weitere ist aktuell der Synthesebericht, der unter www.eds/synodale-kirche auf Deutsch vorliegt. Es werden unter anderem eine Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral, ein Überdenken des Zölibats und eine Änderung der Strukturen zur Entscheidungsfindung in der Kirchenhierarchie vorgeschlagen.
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