Mit dem markigen Satz „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt“ bringt es der in Holland lehrende Pastoraltheologe Jan Loffeld auf den Punkt, was auch bei uns zunehmend spürbar ist: Mehr und mehr Menschen treten aus der Kirche aus, die Relevanz des Glaubens nimmt ab. Und dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Menschen auch ohne kirchliche Anbindung und explizit religiöse Fragen ein für sie stimmiges Leben führen.
In Anbetracht dieses deprimierenden Umstands scheint die Sehnsucht nach einem „Zurück zum Alten“ zwar eine mögliche, aber unzureichende Antwort zu sein. Der Rotterdamer Bischof Hans van den Hende entlarvt sie bei der Predigt zum Festakt der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen als fehlendes Vertrauen. Wie aber lässt sich neues Vertrauen in die Kraft des Evangeliums gewinnen, wenn die Entwicklungen so düster scheinen?
Antworten auf diese Frage suchte ich unlängst in Begleitung meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Diözese Graz-Seckau. Auf Einladung von Tamara Strohmayer, Prozessbereichsleiterin Innovation, reisten wir für fünf Tage nach Utrecht und Rotterdam, um uns von „kirchlichen Pionierorten“ der protestantischen Kirche in den Niederlanden inspirieren zu lassen.
Die ersten Pionierorte wurden 2012 aus der Taufe gehoben: Top down und mit hohem Personal- und Ressourcen-Aufwand. Schnell zeigte sich aber, dass eine zweite Generation von Pionierorten stärker die lokalen Gegebenheiten in den Blick nehmen musste. Und so ermutigte und unterstützte man Leute aus bestehenden und neuen Gemeinden gleichermaßen, lokale Initiativen zu starten. Nicht irgendwas und einfach so, sondern mit den Menschen vor Ort, zu Themen, die dort gerade bewegten. Über die Jahre entstanden so 200 neue Kirchorte in ganz Holland mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Gottesdienste, Mahlzeiten, Spaziergänge, diakonische, künstlerische und monastische Aktivitäten.
Dabei ist das Gros der Engagierten in den Pionierorten jung-erwachsen, also aus einer Altersgruppe, die auch der Kirche Österreichs oft den Rücken gekehrt hat. Und 50 Prozent der Engagierten sind vorher nicht konfessionell gebunden gewesen; nicht nur Kirche-fern, sondern Kirche-los. Das ist ermutigend, denn es zeigt: Als Kirche aufzubrechen ist möglich, auch in einer hoch-individualisierten, postmodernen Gegenwartsgesellschaft.
Inspiriert hat mich dabei der Mut – kollektiv und individuell. Zunächst der Mut der protestantischen Gesamtkirche, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken und Neues zu wagen und das auch mit Ressourcen zu formalisieren. Aber vor allem der Mut derjenigen, die in den Pionierorten auf der Suche nach neuen Wegen in unterschiedlichen Projekten Schritte in eine offene Zukunft wagen, ohne im „Zurück zum Alten“ ebenjene Zukunft unter Druck zu setzen. Denn: „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2 Kor 5,17)
Austausch mit Eric Verwoerd, dem Leiter der „Pioneering-Initiativen“ in den Niederlanden.
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