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Wir müssen die Christen im Heiligen Land unterstützen. Mit diesem Auftrag machte sich eine Delegation des ÖRKÖ auf nach Israel, angeführt vom armenisch-apostolischen Bischof und ÖRKÖ-Vorsitzenden Tiran Petrosyan und dem Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer. Das Fazit der Reise: Christen im Westen sollen wieder als Pilger ins Land kommen. Die Heiligen Stätten können gefahrlos besichtigt werden.
Aufgrund der schwierigen Umstände hätten tausende christliche Familien das Heilige Land verlassen, so der Lateinische Patriarch Kardinal Pierbattista Pizzaballa bei der Begegnung mit der österreichischen Delegation. „Da viele christliche Palästinenser im Tourismus arbeiten würden, hätten sie durch den Krieg ihre Existenzgrundlage verloren.“
Tief bewegte weiters das Gespräch mit einer jüdischen Mutter, die beim Terrorangriff der Hamas ihren Sohn verloren hat. Trotzdem wolle sie sich für Respekt und Versöhnung einsetzen.
In Jerusalem berichtete die jüdische Friedensaktivistin Yisca Harani und Gründerin der Organisation „Religious Freedom Data Center“ über ihr Engagement: Mit ihren gelben Westen bieten sie den Christen etwas Schutz. Besonders betroffen von Übergriffen seien etwa die Geistlichen im Armenischen Viertel. „Wenn sie eine Prozession abhalten, gehen deshalb oft unsere Freiwilligen mit.“ Im Schulunterricht werde das Thema Christentum in negativen historischen Zusammenhängen behandelt, erläuterte die Religionswissenschaftlerin Harani. So sei es kein Wunder, dass viele die Christen als Fremdkörper wahrnehmen.
In Jerusalem wurde die Delegation auch vom armenischen Patriarchen Nourhan Manougian empfangen. Er informierte, dass die einst so starke armenische Gemeinde nur mehr 3.000 Mitglieder im ganzen Land zählt. Im armenischen Viertel in Jerusalem seien es höchstens noch 1.000. Die Bedeutung der Christen für das Westjordanland wurde im Caritas Baby-Hospital, die einzige Klinik weit und breit, in Betlehem deutlich.
Der Rückgang der christlichen Gemeinden im Westjordanland zeigte sich beim Besuch der evangelischen Talitha Kumi Schule in Betlehem. Rund 800 Kinder und Jugendliche lernen an diesem Ort, der als deutsche Auslandsschule geführt wird. 80 Prozent der Schüler sind Muslime, 20 Prozent Christen. Vor 25 Jahren war das Verhältnis noch genau umgekehrt. Direktor Birger Reese: „Das geht an die christliche Identität und Substanz.“ Weiters besuchte die ÖRKÖ-Delegation die katholische Schmidt-Schule in Jerusalem mit rund 500 palästinensischen Mädchen. Etwa 85 Prozent sind Muslime, 15 Prozent Christen. (siehe Titelseite)
Die Gaza-Pläne von US-Präsident Donald Trump reflektierend, die von extremistischen israelischen Politikern aufgegriffen wurden, lehnten die Gesprächspartner ab. Die Palästinenser wollten ihr Land nicht verlassen, nicht nochmals vertrieben werden, brachten es mehrere auf den Punkt.
Georg Pulling/pip
Bischof Manfred Scheuer war mit der Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen Österreichs in Israel. Tief betroffen fasst der Linzer Bischof seine Eindrücke zusammen:
„Die Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücke unserer Reise in das Heilige Land lassen sich für mich nicht auf einen Nenner bringen. Der barbarische Terror der Hamas, die unerträgliche Situation der israelischen Geiseln, die Traumata, die Verletzungen, der Krieg, die Existenzbedrohung, der Hass und die Suche nach Sicherheit und Frieden sind nicht einfach zu vermitteln oder zu ordnen und schon gar nicht zu lösen.
Die Realität der Menschen, der Juden, Muslime und Christen, ist auch eine andere als die medial oder auch digital in Europa vermittelte. Es scheint eine Verlierer-Konstellation zu sein. Es versagen bloße Postulate oder Beschwörungsformeln, wenn und weil sie nicht aus der Wahrnehmung der Opfer aus der Anerkennung des Leidens der anderen, aus der Anerkennung dessen kommen, was mit Wut und Zorn erfüllt.
Ich habe gelernt, dass Schwarz-Weiß-Schemata, Freund-Feind-Denken, dass Abstraktionen und Generalisierungen kein Weg zur Heilung der Wunden, kein Pfad zum Frieden sind. Es führt in keine gute Zukunft, wenn alle ins Lager der Feinde geworfen werden, die nicht den eigenen Interessen und Strategien entsprechen. Terror, Krieg, Misstrauen und Hass haben sehr viele seelisch und körperlich krank und sehr müde gemacht. Europa und dem Westen wird von Israelis und Palästinensern eine Doppelmoral vorgeworfen, weil die bloße Rede von den Menschenrechten und vom Frieden die dämonische Abgründigkeit der Gewalt nicht ausloten und den Kindern nicht sagen kann, dass es wieder gut wird. Schon gar nicht hilft ein zahlenmäßiges Auf- und Abrechnen der Opfer. Das Messen und Vergleichen ebnet ein, ruiniert das Entsetzen, erlöst nicht aus der Gleichgültigkeit.
Es bewegt mich die Spannung zwischen der notwendigen Empathie für die Opfer, der berechtigten Suche nach Sicherheit und einer universalen Ethik der Menschenrechte und der Menschenwürde. Es bewegt, berührt und beschämt mich das Zeugnis einer jüdischen Frau, deren Sohn am 7.Oktober 2023 durch die Hamas ermordet wurde: Wir haben nicht das Privileg, in Verzweiflung zu fallen. Sie hat uns vermittelt, dass Verzweiflung nicht rational sein kann, Hoffnung nicht irrational sein muss. Sie engagiert sich gegen Hassverbrechen und setzt Zeichen der Hoffnung in der Ausweglosigkeit. Viele sind dankbar für unseren Besuch und für unsere Präsenz. Sie bitten auch um unser Gebet.“
Ein Kind in Betlehem: Lokalaugenschein im „Heim der Kinder Gottes“ (Hogar Ninos Dios) in Betlehem, in dem sich argentinische Ordensschwestern um schwerstbehinderte Kinder kümmern.
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