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Vatikan/Salzburg. Es war der 9. März 2013, kurz vor Beginn des Konklaves, das durch den überraschenden Rücktritt Benedikts XVI. notwendig geworden war. Die Kardinalsversammlungen, die nun schon fast zwei Wochen lang in der Synodenaula über der großen Audienzhalle neben dem Petersdom tagten, hatten wie üblich die Aufgabe, die Wahl des nächsten Papstes vorzubereiten. In drei Tagen schon würden sie drüben auf der anderen Seite der Basilika feierlich in die Sixtinische Kapelle einziehen, um dort in der strengen Ordnung der Wahlgänge den kommenden Nachfolger Petri zu finden.
Für diesen Samstagvormittag hatte sich der Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Bergoglio, zu Wort gemeldet. Bei insgesamt über hundert Rednern war auch seine Sprechzeit kurz bemessen.
Aber das, was er zu sagen hatte, beeindruckte nachhaltig: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an“, zitierte er aus der Offenba-
rung des Johannes, um auszuführen, dass es doch heute eher so sei, dass Christus von innen an die Tür seiner Kirche klopfe, um durch uns in die Welt und zu den Menschen hinauszugelangen. Bis an die Ränder, geografisch und existenziell, müsse der Blick und die Arbeit der Kirche gehen.
Und so gelte es, sich hinsichtlich der geforderten Reformen zu entscheiden zwischen einer Kirche, die verschlossen sich selbst genügt, oder einer, die bereit ist, sich missionarisch mit dem Herrn auf den Weg zu den Menschen zu begeben.
Was folgte ist inzwischen zur Geschichte der Kirche in den letzten zehn Jahren geworden. Es ist genau dieser rote Faden, der sich durch das Pontifikat von Papst Franziskus zieht. Die Agenda, die die Kardinäle in ihren Versammlungen vor der Wahl dem künftigen Papst mit auf dem Weg gaben: Eine Reform der Kurie, die weitere Umsetzung von Transparenz und Kontrolle im Finanzwesen der Kirche, und vor allem einen ehrlichen und glaubwürdigen Umgang mit der schrecklichen Tatsache des sexuellen Missbrauches und dessen Vertuschung – aber unter der Prämisse seiner Persönlichkeit eben.
Das heißt, vor allem eine Kirche der Armen sein und wörtlich bis an die Ränder gehen, um von dort viele Probleme besser erkennen zu können. Nachhaltig nicht nur Strukturen zu verändern, sondern auch die Mentalität der Mitarbeitenden im Sinne eines Dienstes an den Menschen zu öffnen.
Das war vor zehn Jahren sicher eine große Umstellung für viele, die es anders, vielleicht höfischer und in der Kommunikation klassischer gewohnt waren. Heute redet kaum mehr jemand davon, dass der Papst im Gästehaus wohnt und zumeist seinen Tisch im Speisesaal neben denen der anderen Mitarbeiter hat. Oder dass Franziskus es vorzieht, seine Sicht der Dinge vielfach über Gespräche mit Journalisten darzulegen, die dann in unterschiedlichen Zeitschriften abgedruckt werden.
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf den Weg gebracht – jetzt in einer neuen Phase der Umsetzung.
Das sei eben seine Art, er könne da nicht anders, hat er zu Beginn seines Dienstes als Nachfolger des heiligen Petrus einmal gesagt. Er brauche den unmittelbaren Kontakt mit den Menschen, die ungezwungene Begegnung, den intensiven Austausch. Darin ist Papst Franziskus authentisch, und darin wird vielleicht auch jetzt nach zehn Jahren eine große Überraschung dieses Pontifikates immer deutlicher.
Was vor sechzig Jahren mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf den Weg gebracht wurde, was seither in wechselnden Wellen zwischen Fortschritt und Bremsen, zwischen Offenheit für die Kultur der Kirche vor Ort und zentraler Vorgaben für die gesamte Weltkirche entwickelt wurde, gelangt nun in eine neue Phase der Umsetzung.
Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, aber von ihren Rändern her. Sie kann in der Welt nur glaubhaft sein, wenn sie zum großen Dialog aller Getauften miteinander wird.
Was 1963 für den heiligen Papst Paul VI. in seiner ersten Enzyklika „Ecclesiam suam“ noch eine großartige Vision war, nimmt heute unter Franziskus immer konkretere Gestalt an: Eine Kirche, die sich synodal ereignet und so das Licht der Völker, Jesus Christus, in Freude und Hoffnung, Trauer und Angst aller Menschen, besonders der Armen und Ausgegrenzten aufleuchten lässt.
Wer heute schon fragt, was von diesem Pontifikat einmal bleiben wird, könnte das als Antwort erhalten: Das endgültige Ankommen der Grundanliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Strukturen aber auch im Selbstverständnis und im Selbstvollzug der Kirche, die im Vertrauen auf den großen Schatz ihrer Lehre und ihrer Tradition die Frohe Botschaft verkündet, indem sie selbst zur frohen Botschaft in Christus wird.
Eine Kirche, die so wie ihr Papst Franziskus ohne auszugrenzen Freude hat an der Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen. Eine Kirche, die daraus Kraft und Glaubwürdigkeit schöpft, weil sie weiß, dass gerade im Umarmen der Ärmsten es Christus selber ist, der sie in den Arm nimmt.
Michael Max
Glückwunsch vom Erzbischof
Zehn Jahre ist es nun her, dass mit der Wahl von Jorge Mario Kardinal Bergoglio zu Papst Franziskus ein neues Kapitel der Geschichte der Kirche aufgeschlagen wurde. Nach Benedikt XVI. rief der Heilige Geist mit der Stimme der Kardinäle den Bischof „vom Ende der Welt“ auf den Stuhl Petri. Papst Franziskus begann sein Pontifikat mit einer spontanen und nahbaren Herzlichkeit, vor allem aber mit dem Gebet. „Betet für mich“, rief er der Welt seit jenem ersten Abend seiner Amtszeit immer wieder zu. Es mag zunächst simpel klingen, doch ist darin die Wahrheit und Erkenntnis ganz eingeschlossen: Ohne das Gebet, sowohl zu Gott als auch für und durch die Schwestern und Brüder in Christus, kann nichts gelingen.
Unser Heiliger Vater hat vor zehn Jahren ein Amt übernommen, das sich im letzten Jahrhundert stark gewandelt hat, und noch einmal ganz besonders durch den historischen Rücktritt seines Amtsvorgängers. Franziskus hat das Steuer der Kirche seither durch viele, bisweilen auch gesundheitliche Prüfungen gehalten. Sein Blick gilt dabei immer besonders jenen an den „Peripherien“, den Armen, den Ausgegrenzten und Benachteiligten, den Verletzten und Leidenden – besonders aber auch der Sorge um die ganze Schöpfung.
Im weltweiten Synodalen Prozess erleben wir die prophetische Dimension des Pontifikats.
Gerade jetzt, wo wir im von ihm ausgerufenen weltweiten Synodalen Prozess stehen, können wir auch die prophetische Dimension seines Pontifikats erleben und ahnen. Die Kirche wird am Ende dieses Prozesses zumindest in Teilen eine andere sein – sie wird aber, zusammen mit dem Papst, stets die „katholische“, die „allumfassende“ bleiben.
Anlässlich dieses Jubiläums möchte ich Papst Franziskus versichern: Heiliger Vater, wir beten für Sie! Ich wünsche Ihnen im Namen der Kirche Salzburgs und Österreichs noch viele Jahre in Gesundheit, Glück und Zufriedenheit, und ganz besonders den Segen des Allmächtigen, der Sie alle Tage begleiten möge.
Erzbischof Franz Lackner
Lesenswert
Selbstwert und Lebensfreude neu entdecken. „Du bist wichtig. Du bist einzigartig. Du bist ein Wunder!“ Das ist die Botschaft von Papst Franziskus. In seinem neuen Buch gibt er 15 Ratschläge für ein gutes Leben. Dabei spürt man: Franziskus kennt die Schattenseiten des Lebens. Umso mehr funkelt seine Lebenslust, die ansteckt. Der Papst schenkt mit diesem Buch die Kraft, sich selbst und das Leben zu lieben.
Papst Franziskus, Du bist wundervoll – Vom Mut, seine Träume zu leben, Herder, Freiburg, 2023, gebunden, 192 S., 20,60 €, ISBN 978-3-451-39969-5.
Papst Franziskus: Ein Rückblick auf 10 Jahre Pontifikat.
Am 13. März 2013 wurde Papst Franziskus gewählt. Was hat er erreicht? Was sind seine größten Verdienste? Und welche Baustellen hinterlässt er? Die wichtigsten deutschsprachigen Vatikan-Korrespondenten ordnen in diesem Buch das Pontifikat von Franziskus kompetent und anschaulich ein.
Stefan Kempis, Jürgen Erbacher, Bernd Hagenkord, Papst Franziskus, der Rufer in der Wüste, St. Benno, Leipzig, 2023, gebunden, 96 S., 17,50 €, ISBN 978-3-746-26318-2.
Bestsellerautor Andreas Englisch zieht Bilanz. Andreas Englisch, der Franziskus vielfach getroffen hat und auf seinen Reisen begleiten durfte, zeigt, mit welchen Herausforderungen der Papst während seiner Amtszeit konfrontiert war und welche Reformen ihm trotz aller Widerstände gelangen.
Andreas Englisch, Das Vermächtnis von Papst Franziskus, C. Bertelsmann, München, 2023, gebunden, 368 S., 24,70 €, ISBN 978-3-570-10514-6.
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